Stellungnahme zum Positionspapier von Prof. Dr.  Köhler

Stellungnahme zum Positionspapier von Prof. Dr.  Köhler

Mehr als hundert Lungenärzte sind dem Aufruf von Prof. Köhler gefolgt und haben das Positionspapier unterzeichnet. Das entspricht einer Zustimmung von etwa 3 % der Lungenärzte in Deutschland, also einer extremen Minderheit. Somit kann keineswegs behauptet werden, dass die Lungenärzte eine Neubewertung der Luftgrenzwerte für Feinstaub und Stickstoffverbindungen fordern.

Bei Durchsicht des Positionspapiers fällt auf, dass von Prof. Köhler keine eigenen wissenschaftlichen Studien zur Luftverschmutzung vorgelegt wurden, sondern die seit Jahren weltweit durchgeführten wissenschaftlichen Untersuchungen auf einmal angezweifelt werden.

Herr Prof. Köhler hätte schon seit Jahren die Möglichkeit gehabt, diese Studienergebnisse, die in internationalen Fachzeitschriften publiziert wurden, zu kommentieren oder selbst eigene Studien zu initiieren. Dies ist aber bisher nicht geschehen. Auch die meisten Lungenärzte, die das Positionspapier von Herrn Prof. Köhler unterschrieben haben, tauchen nach meiner Recherche in keiner internationalen wissenschaftlichen Publikation der letzten Jahre über Luftschadstoffe als Autoren auf. Daher ist das Positionspapier von Herrn Prof. Köhler nach den Qualitätsstufen der Evidenz von sehr niedriger Qualität (Evidenzstufe 4). Außerdem fällt auf, dass in dem Positionspapier nicht auf das Gesundheitsrisiko durch Luftverschmutzung von Schwangeren, Ungeborenen, Neugeborenen und Kindern eingegangen wird.

Daher ist es mir unbegreiflich, dass der Bundesverkehrsminister aus diesem Positionspapier mit seiner sehr geringen wissenschaftlichen Evidenz, das nur von einer Minderheit von Lungenärzten unterzeichnet wurde, die Notwendigkeit einer Neubewertung der Luftschadstoffgrenzwerte ableitet und neue wissenschaftliche Studien fordert.

Die jetzt durch das Positionspapier ausgelöste Diskussion erinnert mich an die Situation in den 1950er-Jahren, als die ersten wissenschaftlichen Untersuchungen über die Schädlichkeit des Rauchens publiziert wurden. Jahrzehntelang wurde vorwiegend von der Tabakindustrie, aber auch von einigen Ärzten, der kausale Zusammenhang zwischen Tabakkonsum und Lungenkrebs angezweifelt. Auch damals wurden immer neuen Studien, vorwiegend von der Tabakindustrie gefordert, obwohl bereits viele wissenschaftliche Untersuchungen zu den gleichen Ergebnissen gekommen waren. Es hat dann noch über mehrere Jahrzehnte gedauert, bis die Bundesregierung Maßnahmen gegen den gesundheitsschädlichen Zigarettenkonsum eingeleitet hat.

Im November 2018 hat die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) ein Positionspapier zu der Gesundheitsgefährdung durch Luftschadstoffe unter Auswertung von über 400 Literaturstellen veröffentlicht. Aufgrund der vorliegenden Daten wies die DGP darauf hin, dass besonders Kinder, ältere Menschen und Erkrankte durch die Luftschadstoffe gefährdet seien und das auch unterhalb der derzeit in Deutschland gültigen europäischen Grenzwerte negative Gesundheitseffekte aufträten. Deshalb sei eine Absenkung der gesetzlichen Grenzwerte erforderlich.

Auch ich beschäftige mich als Pneumologe seit Jahrzehnten mit der Gesundheitsgefährdung durch Luftschadstoffe und verweise in diesem Zusammenhang auf meine Publikation (Schweisfurth H. Gesundheitsrisiken durch Feinstaub und Stickoxide. Atemwegs- und Lungenkrankheiten 2018; 44: 340-349).

Nach meiner Ansicht sollte die Gesundheit der Patienten im Vordergrund stehen und keine wirtschaftlichen Interessen.

Auch empfehle ich der Bundesregierung sich nicht auf neue wissenschaftliche Studien zu fokussieren, sondern die finanziellen Mittel dazu zu verwenden, durch geeignete Maßnahmen die Luftschadstoffbelastung in Deutschland weiter zu senken.

Offener Brief an Bundesminister Andreas Scheuer

Prof. Dr. med. Hans Schweisfurth

Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie, Allergologie, Schlafmedizin, Medikamentöse Tumortherapie, Umweltmedizin und Rehabilitationswesen.
Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der DGUHT
Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), der American Thoracic Society (ATS) und der European Respiratory Society (ERS).

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