Studie zu Feinstaub im Innenraum

Studie zu Feinstaub im Innenraum

Feinstaub in Industrie- oder Stadtgebieten nimmt die Öffentlichkeit kritisch wahr, wogegen gesundheitsbedrohliche Bestandteile im Innenraum kaum auf Interesse stoßen.

Unsere Gesellschaft produziert, konsumiert und verteilt Chemikalien in großen Mengen: Wurden vor hundert Jahren ca. eine Million Tonnen Chemikalien pro Jahr weltweit hergestellt, so sind es heute lt. Wissenschaftlern etwa 400 Millionen Tonnen. Chemikalien sollen unsere Lebensbedingungen verbessern, haben aber auch unerwünschte und teils gefährliche Nebenwirkungen. Dabei wirken solche Schadstoffmengen meist nicht toxisch, sondern nehmen Einfluss auf unser Hormon- und Immunsystem, indem sie unsere inneren chemischen Prozessketten nachteilig verändern. Die großen Volkskrankheiten Schilddrüsen-Hormonstörungen, Diabetes, Lungenerkrankungen, Erkrankungen des Nervensystems, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs haben vielfältige Ursachen und entstehen im komplexen Zusammenspiel von Umwelteinflüssen, Veranlagung und dem persönlichen Lebensstil. Neben den chemischen Schadstoffen können im Hausstaub enthaltene Schwermetalle, Schimmelpilze, Bakterien und Milben zudem Allergien, Atemwegserkrankungen oder sogar Neurodermitis auslösen.
Die DGUHT stellt deshalb kostenlos einen Gesundheits-Check und eine Richtwerttabelle für Hausstaubschadstoffe zur Verfügung, um Interessierte und chronisch Erkrankte bei der Ursachensuche zu unterstützen.

Am 14. September 2016 haben amerikanische Wissenschaftler die „erste umfassende Analyse über „Potenziell schädliche Chemikalien im Hausstaub“ durchgeführt.
(Quelle: http://publichealth.gwu.edu/content/potentially-harmful-chemicals-widespread-household-dust)
Wissenschaftler der federführenden George Washington University wiesen „45 verschiedene schädliche Chemikalien“ nach, die in „Hausstaubproben aus 14 US-Bundesstaaten“ gefunden wurden. “Unsere Studie ist die erste umfassende Analyse der Verbraucherprodukt-Chemikalien, die im Haushaltsstaub gefunden werden”, sagt der führende Autor Ami Zota, Professor für Umwelt- und Arbeitsgesundheit am Milken Institut SPH und folgert, dass „die Ergebnisse darauf hindeuten, dass Menschen und vor allem Kinder einer täglichen Gemischdosis im Hausstaub ausgesetzt sind, die mit ernsthaften gesundheitlichen Problemen verbunden sind.” Am häufigsten kamen dabei chemische Weichmacher vor, deren Konzentration im Schnitt 7,7 Mikrogramm je Gramm Staub betrug. Weichmacher machen Kunststoffe biegsamer, geschmeidiger und elastischer. Diese für Bau-, Plastik- und Kosmetikprodukte verwendeten Weichmacher bzw. Phthalate stehen im Verdacht, hormonell wirksam zu sein und Diabetes und Fettleibigkeit zu fördern. Im Tierversuch führte die Aufnahme von Phthalaten zu Missbildungen an den Fortpflanzungsorganen und zu Übergewicht. Im Körper soll es ähnlich wie Östrogen wirken, was der Grund für die zunehmende Östrogendominanz im weiblichen Zyklus, selbst bei noch jüngeren Frauen, sein könnte. Es besteht zudem der Verdacht, dass die Spermienqualität durch Weichmacher gesenkt werden könnte. Professor Martin von Bergen vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig wollte genauer wissen, wie und wo beispielsweise die Weichmacher im Körper wirken. Seine Arbeitsgruppe belastete das Trinkwasser von Mäusen mit Weichmachern. Vor allem weibliche Mäuse nahmen deutlich zu. Ihre Fettzellen vergrößerten sich und auch der Fettgewebestoffwechsel wurde schlechter. Die Forscher untersuchten danach das Blut der Mäuse und stellten vermehrt Fettsäuren im Blut fest sowie einen aus dem Ruder gelaufenen Zuckerstoffwechsel. Auch Signalstoffe, die das Fettgewebe aussendet, um andere Organe zu steuern, waren anschließend anders zusammengesetzt.

Die zweithäufigste Gruppe von Chemikalien in der amerikanischen Studie bildeten die Phenole, die vor allem in Reinigungsmitteln vorkommen. Zudem wurden aus Möbeln, Bodenbelägen und Baustoffen stammende Flammschutzmittel nachgewiesen. Unter diesen befanden sich polybromierte Diphenylether (PBDE), die im Verdacht stehen, bei Hunden Unfruchtbarkeit auszulösen.
An vierter Stelle wurden perfluorierte Kohlenwasserstoffe gefunden, wobei auch die besonders schädliche Perfluoroktansäure (PFOA) vorkam. Da sie als krebserregend eingestuft und für Schilddrüsenerkrankungen verantwortlich gemacht wird, ist ihr großzügiger Einsatz in Alltagsprodukten sehr umstritten.

Viele dieser gefährlichen Stoffe können sich als Staubgemisch gegenseitig in ihrer Wirkung noch verstärken – was dann selbst bei sehr geringen Einzelstoffkonzentrationen noch giftiger im Körper wirken kann. Besonders gefährdet seien Kleinkinder, die auf dem Boden spielen und so direkt mit dem Hausstaub in Kontakt kommen. Das Umweltbundesamt rät jüngst dazu, Speisen wegen Plastikverpackungen häufiger frisch zuzubereiten und weniger Fertigprodukte zu verwenden. Am stärksten sieht das Amt Kleinkinder gefährdet. Denn die Jüngsten stecken nahezu alles, also auch Kunststoffspielsachen, in den Mund – nicht nur amtlich zugelassenes Spielzeug – und nehmen über den Hausstaub mehr Schadstoffe auf als Erwachsene. Zudem reagiert ihr Körper weit empfindlicher auf Gifte.

Als ein Beispiel für die schwierige Erfassung von Schadstoffen in der Raumluft oder im Hausstaub sind Messungen von schwerflüchtigeren Verbindungen zu nennen, wie sie etwa von Laser-Druckern ausgestoßen oder von Baustoffen und Raumausstattungen abgegeben werden. Eine aktuelle Studie der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) zeigt, dass Laserdrucker bis zu 7,6 Milliarden Partikel Feinstaub je gedruckter Seite emittieren: Diese unsichtbaren Partikel können Hustenanfälle, geschwollene Nasenschleimhäute oder Kopfschmerzen verursachen. Nachweisen kann man Nano-Partikel allerdings nur, wenn man tatsächlich danach sucht und dann auch nur mit teurer und aufwändiger Messausrüstung. Schlussendlich werden auch die „schwereren“ Verbindungen wie Holz-, Woll- und Flammschutzmittel oder Weichmacher bei normgerechten Raumluftmessungen unzureichend erfasst und können nur mit gezielten Hausstaubmessungen gefunden und bewertet werden.

Auf Grund der bisherigen alarmierenden Hausstaubergebnisse durch das IQUH (Institut für Qualitätsmanagement und Umfeldhygiene, Weikersheim), hat sich die DGUHT entschlossen, die Feinstaubstudie zu unterstützen und bittet die Mitglieder und Interessierten, sich aktiv zu beteiligen. Die DGUHT empfiehlt beim Vorliegen chronischer Erkrankungen, zusätzlich Hausstaubuntersuchungen für die Abprüfung gesundheitsrelevanter Schadstoffe durchzuführen. Zur Feinstaub- und Gesundheitsstudie 2020 erhalten Betroffene eine Anleitung zur Probenahme und die neuen Richtwerte für die gefährlichen Staubanteile wie Schwermetalle, Weichmacher, Flammschutzmittel oder Konservierungsstoffe. Gerade wegen der Zunahme von chronischen Erkrankungen ohne klaren Befund fordern immer mehr Mediziner und Arbeitsplatz- und Innenraumexperten der DGUHT eindringlich, dass bei Betroffenen nicht nur der Hausstaub in Kinder-, Wohn- oder Schlafzimmern untersucht wird, sondern dass auch die Schul- und Arbeitsräume mit einbezogen werden. Die Feinstaubstudie 2020 soll statistische Daten über die Auswirkungen von Chemikalien auf Umwelt und Gesundheit liefern und vor allem über das Maß der Giftwirkung (Toxizität), das Allergiepotential oder ob sie lediglich mindergefährlich und nur sensibilisierend wirken.

Aktuell läuft parallel die von der DGUHT ebenfalls unterstützte Anamnesestudie „Gesundheits-Check 2020“ und es können kostenfreie Unterlagen angefordert werden. Eine Zwischenbilanz der Gesundheits- und Feinstaubstudie wird bei der jährlich stattfindenden LIFE Veranstaltung in Bad Mergentheim am 12.-13. Mai 2017 vorgestellt, daher lohnt sich eine Teilnahme sowohl aus beruflicher als auch aus persönlicher Sicht.

Karl-Heinz Weinisch
Vizepräsident

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