Während in der 2. Hälfte des letzten Jahrhunderts in den Smogperioden die Luftschadstoffe SO2, NOx und O3 im Vordergrund der Untersuchungen über Air Pollution standen, kommt heute der Feinstaubbelastung eine besondere Bedeutung zu. In der EU ist die Zahl der Todesopfer aufgrund der schlechten Luftqualität höher als die Zahl der Unfalltoten im Straßenverkehr.
Feinstaub wird primär emittiert oder sekundär gebildet. Primärer Feinstaub wird unmittelbar an der Quelle freigesetzt. Entstehen die Partikel durch gasförmige Vorläufersubstanzen wie Schwefeldioxid, Stickoxide oder Ammoniak, so werden sie als sekundärer Feinstaub bezeichnet.
Feinstaub kann aus natürlichen Quellen wie Emissionen aus Vulkanen, Flächen- und Waldbränden, Bodenerosionen (Wüstenstaub), Pflanzen (Pollen), Mikroorganismen (Bakterien, Pilze, Viren) oder durch menschliche Aktivität (anthropogen) freigesetzt werden.
Primär anthropogener Feinstaub entsteht durch Emissionen aus Kraftfahrzeugen, Schiffen, Kraft- und Fernheizwerken, Abfallverbrennungsanlagen, Öfen und Heizungen in Wohnhäusern, bei der Metall- und Stahlerzeugung sowie in der Steine- und Erdenindustrie und beim Umladen von Schüttgütern. In Ballungsgebieten ist der Straßenverkehr die dominierende Feinstaubquelle. Dabei wird Feinstaub durch Verbrennungsmotoren (vorwiegend Dieselfahrzeuge), Bremsen- und Reifenabrieb sowie durch Staub der Straßenoberfläche freigesetzt. Die in Deutschland vorhandenen über 100 Kohlekraftwerke, von denen mehr als die Hälfte mit Braunkohle betrieben werden, verursachen ebenfalls eine erhebliche Feinstaubbelastung. In der Landwirtschaft tragen Ammoniakemissionen aus der Tierhaltung zur sekundären Feinstaubbildung bei.
Feinstaub wird entsprechend seiner Größe in unterschiedliche Fraktionen eingeteilt. Als PM10 (Particulate Matter, PM) werden Teilchen mit einem maximalen aerodynamischen Durchmesser < 10 µm bezeichnet. PM2,5 erfasst Teilchen mit einem aerodynamischen Durchmesser < 2,5 µm. Bei PM10-2,5 liegt der aerodynamische Durchmesser zwischen 10 und 2,5 µm. Ultrafeine Partikel haben einen Durchmesser < 0,1 µm (100 nm).
Zum Schutz der menschlichen Gesundheit gelten seit dem 1. Januar 2005 europaweit Grenzwerte für die Feinstaubfraktion PM10. Der Tagesmittelwert von 50 µg/m3 Luft darf nicht öfter als 35mal im Jahr überschritten werden. Die höchste Zahl an Überschreitungstagen wurde in den letzten Jahren in Stuttgart gemessen. In Deutschland liegt die durchschnittliche jährliche PM10-Belastung in urbanen Regionen im Vergleich zu den meisten europäischen Ländern im unteren Drittel. Die höchsten PM10-Konzentrationen wurden in Serbien und Bulgarien ermittelt. Der zulässige Jahresmittelwert beträgt 40 µg/m³ Luft. Allerdings schlägt die WHO einen strengeren Jahresmittelgrenzwert für PM10 von 20 µg/m³ vor.
Für PM2,5 gilt seit 1. Januar 2015 in Deutschland ein Zielwert von 25 µg/m3 im Jahresmittel. Ab dem 1. Januar 2020 dürfen die PM2,5-Jahresmittelwerte den Wert von 20 µg/m3 nicht mehr überschreiten. Die WHO schlug bereits 2005 für PM2,5 einen Jahresmittelwert von 10 µg/m³ vor.
Nach neuen Schätzung der WHO versterben jährlich weltweit vorzeitig etwa 3,3 Millionen Menschen vorwiegend in Entwicklungsländern durch Indoor Air Pollution. Etwa 2,6 Millionen vorzeitige Todesfälle (40 % Herzkranzgefäßerkrankungen, 40 % Schlaganfälle, 11 % chronisch obstruktive Lungenerkrankungen, 6 % Lungenkarzinome, 3 % akute Infekte der unteren Atemwege bei Kindern) werden jährlich durch die urbane Outdoor Air Pollution verursacht.
Die gesundheitlichen Schädigungen von Feinstaub ergeben sich unter anderem dadurch, dass die Partikel je nach ihrer Größe unterschiedlich weit in die Atemwege eindringen. PM10 lagert sich in Nasenhöhle, Trachea und Bronchien ab. PM10-2,5 erreicht zu einem geringen Anteil die Lungenbläschen (Alveolen). PM2,5 gelangt über die Alveolen in den Blutkreislauf. Da die Feinstaubpartikel an ihrer Oberfläche Schwermetalle und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe anlagern, gehören sie nach Einstufung der WHO zum Gruppe1-Karzinogen.
Im Gegensatz zu anderen Luftschadstoffen wie NO2 oder SO2, für die Konzentrationen bekannt sind, die zu keiner messbaren Beeinträchtigung der Gesundheit führen, existiert beim Feinstaub keine Schwellenkonzentration, unter der keine gesundheitliche Schädigung eintritt. Daher führen nicht nur kurzfristige erhöhte PM10-Konzentrationen sondern auch längerfristige niedrigere Belastungen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen.
Bei kurzfristigen Erhöhungen der PM10-Konzentration stiegen die Krankenhausaufnahmen wegen Atemwegserkrankungen an. Die Gesamtsterblichkeit der Bevölkerung nahm um 1 % zu. Eine dauerhafte höhere PM10-Belastung von 10 µg/m³ Luft ging mit einer durchschnittlichen Verkürzung der Lebenserwartung um knapp 6 Monate einher. Bezogen auf PM2,5 betrug die Abnahme der Lebenserwartung 8 Monate.
Die Exposition von Feinstaub über einen längeren Zeitraum führte bei Kindern mit Asthma zur Verschlechterung der Lungenfunktion und bei Säuglingen zum Anstieg der Sterblichkeit.
In Deutschland erhöht die Langzeitbelastung durch PM10 die Sterblichkeit infolge Herz-Lungen-Erkrankungen um 12,5 – 14 % (Alter > 30 Jahre). Etwa 13 – 15 % der Sterbefälle durch Lungenkarzinom sind dem Feinstaub zuzuschreiben. Nach Schätzungen ergeben sich jährlich in Deutschland insgesamt etwa 47 000 vorzeitige Todesfälle durch Feinstaubbelastung.
Eine aktuelle Metaanalyse der European Study of Cohorts for Air Pollution Effects (ESCAPE) von 17 Kohorten Studien aus 9 europäischen Ländern ergab, dass die Zunahme von 10 µg/m³ PM10 das Lungenkarzinomrisiko um 22 % erhöht. Für PM2,5 wurde per 5 µg/m³ ein Zunahme von 18 % errechnet.
Die Auswirkung der langzeitigen Air Pollution auf die Sterblichkeit durch natürliche Ursachen wurde im Rahmen des ESCAPE Projekts an 22 europäischen Kohorten untersucht. Das Risiko durch eine PM2,5-Erhöhung von 5 µg/m³ betrug 7 %. Das Risiko blieb auch dann signifikant erhöht, wenn die PM2,5-Konzentration unter 25 µg/m³ oder unter 20 µg/m³ lag.
Der Zusammenhang zwischen Air Pollution und Krankenhausaufenthalten wegen Herzinsuffizienz oder Tod wurde in Studien untersucht, die zwischen 1948 und 2012 publiziert wurden. In der Metaanalyse konnte nachgewiesen werden, dass die Hospitalisierung und Sterblichkeit wegen akuter dekompensierter Herzinsuffizienz assoziiert war mit der Zunahme von 10 µg/m³ PM2,5 (2,12 %) oder PM10 (1,63 %). Die Autoren errechneten, dass sich durch eine Verminderung der Feinstaubexposition von PM2,5 um 3,9 µg/m³ 7 978 stationäre Aufnahmen wegen Herzinsuffizienz vermeiden lassen.
Im Rahmen der ESCAPE Studie wurde die Auswirkung der Langzeitbelastung von PM2,5 und PM10 auch auf akute Herzerkrankungen untersucht. Eine Erhöhung von 5 µg/m³ des geschätzten Jahresdurchschnittswertes von PM2,5 war mit einer Zunahme des Risikos einer koronaren Herzerkrankung von 13 % und eine Erhöhung von 10 µg/m³ von PM10 mit einer Zunahme von 12 % assoziiert. Positive Relationen wurden auch unter den zur Zeit gültigen europäischen Grenzwerten von PM2,5 und PM10 beobachtet.
Über den Wirkungsmechanismus von Feinstaub auf das Herz-Kreislauf-System ist wenig bekannt. Man vermutet, dass das Eindringen von Feinstaub in den Blutkreislauf biochemische Reaktionen auslöst, die zur Zusammenballung von Blutplättchen, Gefäßverengungen, Herzrhythmusstörungen und zum Blutdruckanstieg führen.
Studien ergab auch ein vermindertes Geburtsgewicht durch Feinstaubbelastung bei Neugeborenen. Feinstaub während der Schwangerschaft wirkte sich schlimmer aus als Grobstaub. Eine PM2,5-Zunahme um 5 µg/m³ erhöhte die Wahrscheinlichkeit ein Kind mit vermindertem Geburtsgewicht zu bekommen um 18 %. Ein erheblicher Teil der termingerecht geborenen Kinder mit niedrigem Geburtsgewicht könnte in Europa vermieden werden, wenn die Luftverschmutzung reduziert würde. Die Absenkung des derzeitigen Jahresmittelgrenzwertes für Feinstaub PM2,5 von 25 auf 10 µg/m³ würde eine Abnahme der Fälle um 22 % bewirken.
Durch ein neues Maßnahmenpaket will die EU die Luftqualität bis 2030 entscheidend verbessern. Dadurch sollen im Vergleich zur jetzigen Situation schätzungsweise weitere 58 000 vorzeitige Todesfälle vermieden werden. Die Höhe der gesamten Gesundheitskosten, die der EU durch die Luftverschmutzung zurzeit pro Jahr entstehen, werden auf 330 bis 940 Milliarden € geschätzt. Durch die neuen Maßnahmen werden Einsparungen von 40 bis 140 Milliarden € erwartet.
Weltweit wird nach Prognose der OECD die jährliche Rate der vorzeitigen Todesfälle bis 2050 infolge der Feinstaubbelastung um mehr als das Doppelte ansteigen, wobei es in China und Indien zu den meisten Todesfällen kommen wird. Damit fordert der Feinstaub im Vergleich zu anderen Umweltrisiken mit Abstand die höchste Rate an vorzeitigen Todesfällen, so dass dringender Handlungsbedarf zur Verminderung der weltweiten Feinstaubbelastung besteht.
Prof. Dr. med. Hans Schweisfurth
Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der DGUHT